Spannstattbrücke Bau/Abriss/Fest

 

Heimatrecherche von Willy Schoch
Neubau im Rahmen des Ausbaues der Kinzigtalstraße
100 Jahre diente sie den Anliegern links und rechts der Kinzig
Die geringe Tragfähigkeit ließ den Langholztransport nicht mehr zu
Vor dem Abriss 1985 gab es einen festlichen Abschied
 
Über Jahrhunderte gab es eine Brücke vom Dorf auf die Spannstatt über die Kinzig. Zuerst eine ganz einfache Holzbrücke. Dann folgte 1884 eine Brücke in Stahlkonstruktion und 1985 eine verkehrsgerechte Straßenbrücke.
 
Als im Jahre 1849 begonnen wurde, die Kinzigtalstraße Wolfach – Schiltach – Schenkenzell auf der Talsohle auszubauen. Auf Schenkenzeller Gemarkung wurde 1869 von Schiltach herkommend begonnen. Unter anderem waren drei Brückenbauten erforderlich. Alle ausgeführt in einer Stahlkonstruktion.
 
Die alte Straße von Schiltach her führte noch über das Kaibächle, vorbei am heutigen Freibad und Schloßhof über einen gepflasterten Furt durch die Kinzig hin zur Schenkenburg. Dann ging es die Schlossbergsteige hoch um die Schenkenburg, über den Lehenweg zum Käppelesfelsen. Weiterführung über den Allmendweg hinüber zum Tannensteg und wieder zurück über das Werksgeländer der heutigen Firma STW bis zur Einmündung in die Schulstraße beim ehemaligen Gasthaus „Bahnhof“. Es folgte die Querung der Reinerzau, ehe es hinüber ging auf die Spannstatt und von dort hoch zur Wiedmen und weiter ins württembergische Alpirsbach.
 
Durch den Bahnbau 1886 änderte sich öfters nicht nur dieser Straßenverlauf, sondern auch der Verlauf der Kinzig. Im Bereich der Schenkenburg fiel der steile Aufstieg zum Schlossberg weg. Vom Käppelesfelsen bis zur Drei-König-Brücke und von der Landstraße bis zum Stockhof kam es zu einschneidenden Straßenkorrektionen. 
 
Der Gemeinde Schenkenzell wäre es 1869 lieber gewesen, wenn man die bisherige Straßenführung über die Spannstatt und Wiedmen belassen hätte. Die Eingabe des Gemeinderates an das „Großherzogliche Hochpreisliche Handelsministerium“ hatte keinen Erfolg. Das hatte zur Folge, dass die sehr alte Spannstattbrücke von der Gemeinde künftighin selbst zu unterhalten war. 
 
Neue Brücke – Eisen für Holz
 
Es gingen noch Jahre dahin. Aber 1884 war es dann soweit, die Spannstattbrücke, eine Holzbrücke über die Kinzig, wurde baufällig und war nicht mehr zu reparieren. Es wurde eine solche in Eisen mit Schottergedeck gebaut. Die Planung und Bauleitung hatte die Straßenbauinspektion Offenburg. Die Arbeiten wurden ausgeschrieben. Die Maurerarbeiten gingen an den einheimischen Maurermeister Franz Kilgus. Der Auftrag für die eiserne Brückenkonstruktion ging an die Maschinenfabrik Link in Oberkirch. Dort wurde die Brücke fix und fertig zusammengebaut und nach Schenkenzell transportiert. Laut Waagschein hatte die Ladung eine Last von 9.590 Kilogramm.
 
Die Gemeinde Schenkenzell kostete das Brückenbauwerk damals 3.136 Mark. An diesen Kosten beteiligte sich der Kreis mit einem Zuschuss von 850 Mark. Zur restlichen Finanzierung nahm die Gemeinde beim örtlichen Leibgedinger Jakob Haberer ein Darlehen über 2000 Mark mit vierprozentiger Verzinsung auf.

Die Traglast der Brücke wurde von einem Ingenieur so berechnet, „dass sie Lastwagen mit 120 Zentner oder ein Menschengedränge mit fünf- bis sechsfacher Sicherheit tragen kann“. Als 1926 Zimmermeister Wilhelm Müller mit seinen Söhnen auf der Spannstatt ein Sägewerk errichtete, kamen beim Bürgermeister leichte Sorgen auf. Ab sofort mussten schwere Holzfahrzeuge die Brücke passieren. Es kam zu Streitereien wegen der anfallenden Unterhaltungskosten: Ein „Kontrakt“ mit der Gemeinde legte den Streit bei. In den 50er-Jahren erhielt die Brücke dann einen Betonbelag.

Die Brückenbreite von 3,50 Meter wurde für den Schwerlastverkehr langsam recht knapp. Erhebliche Rostschäden und die Maximaltragfähigkeit von nur 6 Tonnen führte zu Beanstandungen der Verkehrsbehörde. Nicht unbekannt war, dass die Brücke von Langholzfahrzeugen mit der fünffachen Menge der zulässigen Tragkraft befahren wurde und auch befahren werden musste. Auch der recht knappe Einmündungsbereich in die Bundesstraße war äußerst problematisch und für die Verkehrsteilnehmer nicht ungefährlich.

Warten – wurde mit hohen Zuschüssen belohnt

Der Gemeinderat sah die Notwendigkeit einer neuen Brücke. Scheiterte aber von Jahr zu Jahr nach dem Dringlichkeitskatalog anstehenden Maßnahmen der Gemeinde. Das Warten hatte Erfolg. Die Gemeinde bekam 1984 Zuschussmittel des Bundes und Landes in einer Größenordnung, dass der Gemeinderat dem Neubau einer Spannstattbrücke fünfzig Meter oberhalb der alten Eisenbrücke bedenkenlos zustimmen konnte. Die Herstellung der Brücke und der verkehrsgerechten Anschlüsse im Zusammenhang gekoppelt mit dem Zwischenausbau der B 294 verursachte Kosten von 910.000 Mark.
 
Mit der Inbetriebnahme der neuen, zeitgemäßen Spannstattbrücke war die Zeit für den Abbruch der alten Eisenbrücke 1986 gekommen. Recht gerne hätten die Wohnanlieger der Spannstatt als Fußgängerbrücke noch länger gehabt, schon der Nähe zum Ort wegen. Mit dem Abbruch ging eine über hundertjährige Geschichte zu Ende. Die Brücke hatte in dieser Zeit alle guten und bösen Lasten auf sich genommen und könnte viel aus der wirtschaftlichen Entwicklung, von Hochwassernöten, von Friedens- und Kriegszeiten der Gemeinde und ihrer Bürger erzählen.

Eine Stammtisch-Idee entwickelte sich zum zweiten Schenkenzeller Dorffest. Dies vor 35 Jahren. Auslöser war der Abbruch der alten Spannstattbrücke.
Das nächste Dorffest ist für 2021 geplant.

 
Die modernen Medien liefern uns zwar die große weite Welt direkt ins Haus, unsere eigene kleine Welt am Ort aber haben sie weitgehend verdrängt. Kommunikation, das ist ebenfalls noch vorgegebene Unterhaltung durch eben jene Medien, aber immer weniger das direkte Gespräch mit dem Nachbarn oder einfach dem Mitmenschen.

Eine Federzeichnung des Hobbymalers Franz Kinle zeigt die
ursprünglichen Spannstatt-Häuser mit der Spannstattbrücke

Vor diesem Hintergrund sind auch die Stadt- und Dorffeste zu sehen, die in den letzten Jahren „in Mode“ kamen und die letztlich einen Versuch darstellen, den ansonsten verplanten Alltag mit seiner ebenfalls vorprogrammierten Feierabendentspannung einmal ein fröhliches Wochenende entgegenzustellen, bei dem vor allem das Mitmachen und der spontane persönliche Kontakt im Vordergrund stehen soll.
 
Zwangslos feiern und unterhalten

 
Aktiv mitgestalten, das war auch das ungeschriebene Motto des Spannstattbrückenfestes im Jahre 1985. An einem herrlichen Wochenende im Juni 1985 initiiert von ein Gastwirtin Gusti Armbruster und Willy Schoch und engagiert mitgestaltet von den örtlichen Vereinen, wurde den Bürgern der Gemeinde wie auch den vielen Gästen aus der Nachbarschaft Gelegenheit geboten, einmal ganz zwangslos zu feiern und sich zu unterhalten.
Ursprünglich vorgesehen war lediglich ein kleine „Abschiedsfeier“ der Anlieger und Nutzer von der alten Spannstattbrücke. Dem Abbruch der ausgedienten Brücke sollte eine Hocketse auf der Brücke vorausgehen. Denn so stillschweigend sollte der Abbruch dieses historischen Bauwerkes nicht erfolgen. Diese Idee entstand am Stammtisch im Gasthof „Adler“. Als dies aber publik wurde, nahmen die Festvorbereitungen immer größere Formen an.
 
Als zudem dann noch bekannt wurde, dass der Erlös für die Sanierung der örtlichen Turnhalle, die am Aschermittwoch 1985 dem Feuer zum Opfer fiel, verwendet werden soll, erklärten sich auch die örtlichen Vereine bereit, hier mitzutun. Die Vorbereitungszeit war damals recht knapp, aber trotzdem waren alle zuversichtlich, dass die Festbesucher voll auf ihre Kosten kommen werden.
 
Als Festplatz wurde der Wohnbereich „Spannstatt“ ausgewählt. Ein Straßenzug entlang der Kinzig, dem die einstige Funktion als Floßlände den Namen gab und wo wohl Schenkenzells bekanntester Flößer Augustin Fischer bis zu seinem Tode im Jahre 1931 wohnte.
 
„Spannstättler“ nahmen Abschied

Auf Wiedersehen
Die ältesten Brückenanlieger Berta Kilgus, Maria Harter und Johanna Bischler verabschiedeten sich vom alten Brückenbauwerk

Böllerschüsse und Fassanstich kündigten am Samstagnachmittag bei herrlichem Sonnenschein den Auftakt des Spannstatt-Brückenfestes an, das sich letztendlich zu einem echten Dorffest entwickelte. Gefeiert wurde dann unter freiem Himmel zwischen zahlreichen Buden und Ständen bis Sonntagabend.
 
„Brücken sollten immer auch eine Verbindung zwischen den Menschen an beiden Ufern dienen“, so Pfarrer Schütt bei seiner Predigt anlässlich des Spannstattbrückenfestes. Diese Funktion hat die „alte“ Spannstattbrücke bis zuletzt voll erfüllt.
 
Das Festprogramm war sehr vielseitig. Für die Unterhaltung sorgten der Musikverein und der Männergesangverein „Liederkranz“. Auf der Kinzig wurden Floßfahrten angeboten. Die Kindergärtnerinnen beaufsichtigten die Kinder bei Spiel und Unterhaltung. Im gesamten Festbereich gab es über die beiden Tage allerlei Spezialitäten und Leckerbissen. Pünktlich um 22 Uhr am Sonntagabend fand dann der Fackelmarsch der Spannstattbewohner mit dem Abschied von der alten Spannstattbrücke statt.

Die alte Spannstattbrücke im Vordergrund.
50 Meter flussaufwärts die neue Straßenbrücke.

Wo gefeiert wird, da wird natürlich auch umgesetzt, und wo umgesetzt wird, da klingelt Geld in der Kasse. Dies war nicht wenig. Dieses Geld haben die Veranstalter der Gemeinde für die Anschaffung von Turngeräten zur Verfügung gestellt.
 
Wenige Tage nach dem Fest wurde die Spannstattbrücke dann abgebrochen.
Über hundert Jahre hatte sie ihren Dienst getan.

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